Nieten in schwarzen Roben auf Mandantenfang
Anwälte gehen zunehmend mit Hilfe von Verbraucherschutzverbänden auf Mandantenfang, die sie selbst initiiert haben. Die Verbraucherschützer klingeln im Auftrag der Anwälte sogar an der Haustür von Sparern, um sie zu aussichtslosen Prozessen zu drängen. Die Adressen von Anlegern holen sich die Anwälte bei Amtsgerichten oder durch Akteneinsicht bei Staatsanwaltschaften.
"Leider gibt es etliche Anwälte, die Anlegern das Blaue vom Himmel versprechen und so in Schadensersatzklagen treiben – ohne nennenswerte Aussicht auf Erfolg“, kritisiert Ex-Innenminister und selbst Rechtsanwalt Gerhart Baum (FDP) aus Düsseldorf in Nordrhein-Westfalen in der WirtschaftsWoche. "Da werden Notlagen von Menschen, die ihre Ersparnisse verloren haben und zum Teil vor dem Nichts stehen, auf zynische Weise ausgenutzt – nur um sich selbst zu bereichern."
Dürfen Anwälte mit einem Anlegerschutzverein zusammenarbeiten?
Baum: "Das ist meines Erachtens nicht per se unzulässig. Eindeutig unseriös ist es aber, wenn die Anwälte den Verein selbst initiiert haben, der Anleger davon aber nicht informiert wird. Dadurch wird Geschädigten eine Neutralität vorgegaukelt, die gar nicht existiert."
Warum haben Rechtsanwaltskammern den schwarzen Schafen unter den Anwälten noch kein Berufsverbot erteilt?
Baum: "Bisher haben die Anwaltskammern in dieser Sache versagt. Wenn Anwälte Anleger ungefragt angeschrieben und in Angst und Schrecken versetzt haben, gab es zwar bisweilen eine Rüge – aber ansonsten wurde das Thema in der Regel totgeschwiegen. Hier wünsche ich mir in Zukunft mehr Offenheit und mehr Handlungsbereitschaft. Es darf auf keinen Fall der Eindruck entstehen, dass hier eine Krähe der anderen kein Auge aushackt."
Der Bundestagssachverständige Rechtsanwalt Julius Reiter (45) aus Düsseldorf beschreibt die Masche der Nieten in schwarzen Roben so: "Einige Anwälte neigen leider dazu, die juristischen Scheuklappen aufzusetzen und nach Schema F vorzugehen: Rechtslage prüfen, Klageschrift einreichen, abrechnen. Diese Vorgehensweise bringt jedoch meist keinen Erfolg für den Mandanten, weil im Kapitalanlagerecht aufwendige Hintergrundrecherchen notwendig sind."
Klagewütige Anwälte sind aber nicht nur ein Risiko für deren Mandanten, sondern für alle Anleger. Denn während seriös arbeitende Anwälte noch recherchieren, die Rechtslage prüfen und womöglich über einen Vergleich verhandeln, überflutet die prozessfreudige Konkurrenz die Gerichte bereits mit schlecht vorbereiteten und schlampig formulierten Klagen – was nicht selten für eine negative Grundhaltung der Richter sorgt. Anwalt Julius Reiter ist überzeugt: „Die voreiligen Klagewellen machen die Rechtsprechung kaputt. Wenn ich die erste Klage einreiche, haben die Richter oft schon Dutzende abgewiesen. Das macht es natürlich nicht leichter.“
Dabei ist es in Deutschland ohnehin äußerst schwierig, Anlegerklagen erfolgreich durchzuboxen – entgegen vollmundiger Versprechungen zahlreicher Anwälte. Der Hauptgrund: Die Beweislast liegt in der Regel beim Kläger. Eine weitere zweifelhafte Errungenschaft der Klageindustrie: Die meisten Rechtsschutzversicherungen weigern sich inzwischen, Anlegerprozesse zu finanzieren. Die Musterpolice des Gesamtverbands der deutschen Versicherungswirtschaft schließt seit April 2008 den Rechtsschutz für Streitigkeiten in Zusammenhang mit „Wertpapieren und Beteiligungen“ aus.
In den vergangenen Jahren sind die Ausgaben der Versicherer angesichts von Anlegerskandalen mit Zehntausenden Betroffenen – Göttinger Gruppe, Deutsche Telekom, Schrottimmobilien – enorm in die Höhe geschnellt. „Was uns besonders ärgert: Statt Streitgenossenschaften zu bilden und dadurch kostendämpfend mehrere Klagen zu bündeln, wird für jeden Mandanten einzeln geklagt“, schimpft ein Mitarbeiter eines Versicherers. Eine andere beliebte Strategie zur Honorarmaximierung: Statt bei einer Klage gleich mehrere Beklagte aufzulisten, etwa den Fondsanbieter und dessen Geschäftsführer, gehen Anwälte einzeln gegen Beschuldigte vor – bisweilen sogar dann, wenn diese pleite sind.
Kanzlei Müller, Boon, Dersch aus Jena: Klagen trotz Insolvenz des Gegners
Die Kanzlei Müller, Boon, Dersch aus Jena (Thüringen) hat in den letzten Jahren für rund 1.500 Anleger Klagen gegen Manager der Göttinger Gruppe eingereicht, obwohl der Insolvenzverwalter der Gruppe glaubt, dass bei diesen nichts mehr zu holen ist, und keine Ansprüche gegen sie geltend macht. Die ersten sechs Klagen wurden im August abgewiesen: Sie seien in mehreren Punkten unzureichend begründet, urteilte das Landgericht Göttingen (u.a. 2 O 407/07).
Anwalt Ralf Böhm teilte der WirtschaftsWoche in einer Stellungnahme mit, dass „die Vermögenslosigkeit einzelner Verantwortlicher bisher keinesfalls festgestellt“ sei. Dass der Insolvenzverwalter derzeit keine Ansprüche gegen sie geltend mache, könne auch andere Gründe haben. Seine Kanzlei habe Berufung gegen die sechs Urteile des Landgerichts eingelegt.
Anwalt Philipp Wolfgang Beyer aus Jena und der Deutsche Verbraucherschutzring e.V. (DVS) & Co
Ebenfalls von Jena aus geht Philipp Wolfgang Beyer, Inhaber der Kanzlei PWB Rechtsanwälte, auf Mandantenfang – bundesweit. Der 49-Jährige steckt hinter mehreren Vereinen: Er ist Vorstand des Deutschen Insolvenzschutzrings, des Deutschen Schutzverbandes gegen Diskriminierung und des Deutschen Verbraucherschutzrings e.V. (DVS) aus Erfurt (Thüringen).
Vieles spricht dafür, dass sein Engagement vor allem der Akquise von Klienten dienen soll. Besonders aktiv ist Beyer mit dem DVS (Aufnahmegebühr 59,50 Euro), der im November eine Informationsveranstaltung für Anleger ausrichtete, die mit Zertifikaten von Lehman Brothers Verluste erlitten. Das Interesse war groß. Rund 300 Menschen strömten ins Berliner Maritim-Hotel, und Beyer hielt als DVS-Präsident die Eröffnungsrede – um dann Sascha Giller, Co-Anwalt seiner Jenaer Kanzlei, als Experten anzukündigen.
Anwalt Wolfgang Schirp aus Berlin und der Aktionsbund Aktiver Anleger (AAA)
Nicht viel Wert auf Transparenz legt bisweilen auch der Aktionsbund Aktiver Anlegerschutz e.V. (AAA) aus Berlin. Der Verein (Aufnahmegebühr 60 Euro, Jahresbeitrag 240 Euro, Generalversammlung 150 Euro) hat in den vergangenen Jahren zu etlichen Informationsveranstaltungen eingeladen. In Briefen an Anleger, die der WirtschaftsWoche vorliegen, kündigte der AAA als Referenten stets den Berliner Anwalt Wolfgang Schirp an. Dabei ist Schirp keineswegs ein unabhängiger Experte, der – wie es den Anschein erweckt – allein aufgrund seiner Fachkompetenz ausgewählt wurde: Er ist vielmehr Mitbegründer des Aktionsbundes.
Wenn in den Schreiben an die Investoren Angaben zu seiner Person fehlten, dann nur, weil „wir den verfügbaren Platz nutzen müssen, um möglichst viel Sinnvolles zum jeweils konkreten Sachanliegen zu sagen“, sagt Schirp. Zudem werde die Kooperation auf der Homepage des AAA „offen und aktiv“ publiziert. Eine unzulässige Anwaltswerbung liege nicht vor, weil der Aktionsbund Einladungen als „rechtlich und tatsächlich“ von seiner Kanzlei unabhängiger Verein verschicke.
Besonders aktiv ist Schirp derzeit bei Streitigkeiten um die Filmfonds VIP 3 und VIP 4, in die 12.000 betuchte Anleger rund 650 Millionen Euro gesteckt haben. Seit der Fiskus ihnen 2005 die Steuervorteile zusammenstrich, klagen Tausende Investoren auf Schadensersatz. Schirp, der rund 300 VIP-Anleger vertritt, drängt zudem darauf, die Geschäftsführung der Fonds abzulösen.
Als neue Kandidatin für den Geschäftsführerposten geht eine gute Bekannte ins Rennen: AAA-Schriftführerin Kerstin Kondert, im Hauptberuf Gesellschafterin der Beratungsfirma Kondert & Mainka. Die Arbeitsteilung der AAA-Partner Schirp/Kondert hat Charme – die beiden decken sozusagen die gesamte Dienstleistungskette bei trudelnden Fonds ab: Schirp vertritt klagewillige Anleger, Kondert soll das Fondsmanagement übernehmen. Von den eigenen Geschäftsinteressen erfahren Anleger jedoch nichts, wenn sie Einladungsschreiben vom AAA erhalten.
Richter warnen Anleger vor Revision
Eng zusammen arbeitet Schirp in Sachen VIP mit der Bremer und Hamburger Kanzlei KWAG (Kanzlei für Wirtschafts- und Anlagerecht). Deren Anwälte Jan-Henning Ahrens und Jens-Peter Gieschen zeigten sich besonders klagefreudig. Während sich andere Kanzleien auf Falschberatungsklagen gegen die Commerzbank konzentrierten – die der Hauptvertriebskanal für Fondsanteile war –, fanden Gieschen & Co. neben der ebenfalls verklagten Commerzbank einen Beschuldigten, den kaum jemand auf der Rechnung hatte: die Biederstein GmbH, die „Mittelverwendungskontrolleurin“ der Fonds VIP 3 und VIP 4.
Doch die 343 Klagen, die die KWAG und ihre Vorgängerkanzlei KTAG im Namen von Anlegern gegen Biederstein eingereicht haben, wurden ohne Ausnahme abgewiesen. Und zwar nicht nur von einem einzigen Richter, sondern von verschiedenen Senaten des Landgerichts München I. Auf die Berufungen, die die Klägeranwälte wie am laufenden Band einlegten, reagierte das OLG München mit zahlreichen „Hinweisbeschlüssen“, in denen die Richter zur Rücknahme der Berufung rieten – bisher in mehr als 100 Fällen. „Der Senat beabsichtigt, die Berufung durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen“, heißt es etwa im Verfahren 23 U 3306/08, und empfehle deshalb dringend, sie zurückzunehmen – „auch aus Kostengründen“.
Obwohl bis zum 18. Februar 2008 bereits 150 Klagen in erster Instanz abgewiesen worden und 67 abschmetternde „Hinweisbeschlüsse“ in zweiter Instanz ergangen waren, haben KWAG-Anwälte danach noch weitere 22 Klagen gegen den Mittelverwendungskontrolleur eingereicht.
Berechtigte Hartnäckigkeit oder blinde Klagewut? Ahrens und Gieschen verweisen darauf, dass sie „juristisches Neuland“ betreten hätten. Gerade in solchen Fällen komme es immer wieder vor, dass der Bundesgerichtshof (BGH) anders entscheide als vorherige Instanzen. Die KWAG hat deshalb in einem Fall Beschwerde dagegen eingelegt, dass die Revision beim BGH nicht zugelassen wurde. Eine Entscheidung des BGH stehe aber noch aus.
Kein gutes Licht auf die KWAG-Anwälte wirft eine Verhandlung im Landgericht München am 3. Juli 2008. Richter Oliver Schön hatte den Kläger persönlich vorgeladen und ihn laut Gerichtsprotokoll gefragt, ob dieser überhaupt von der Klage gegen den Mittelverwendungskontrolleur wisse. Als der Anleger mit Nein antwortete, sagte Schön, damit bestehe der Verdacht ... Die KWAG-Anwälte – die sich bei dem Termin von einer Kollegin aus München vertreten ließen – bestätigen den Vorfall, betonen aber, dass es sich um ein Missverständnis gehandelt habe und dass der Kläger sehr wohl „eine Vollmacht zur Durchführung dieses Klageverfahrens“ unterschrieben habe.
Das Deutsche Anwaltszentrum und das Dekra-Siegel
Was bei Autos funktioniert, klappt auch bei Anwälten, dachten sich die Experten der Dekra aus Stuttgart in Baden-Württemberg – und boten Juristen in Kooperation mit dem Deutschen Anwaltszentrum aus Berlin-Steglitz eine Dekra-Zertifizierung für 575 Euro plus Mehrwertsteuer für jede Fachrichtung an. Doch Anfang Februar 2009 kippte das Landgericht Köln das Geschäftsmodell: Es sei irreführend, wenn Anwälte mit dem Zertifikat werben, befanden die Richter (Aktenzeichen: 33 O 353/08). Denn damit würde bei Verbrauchern der Eindruck erweckt, dass sie „auf Grundlage neutraler, allgemein anerkannter Prüfungsbedingungen unter Beteiligung der Anwaltschaft“ zertifiziert worden seien. Das sei aber nicht der Fall. Denn die Anwälte mussten für die Zertifizierung lediglich ein 180-Seiten-Manuskript durcharbeiten und sich anschließend einem Multiple-Choice-Test unterziehen.
Der Streit um das Anwalts-Dekra zeigt: Im harten Wettbewerb auf dem Beratungsmarkt versuchen Juristen, mit fragwürdigen Methoden auf sich aufmerksam zu machen. Doch nicht nur umstrittene Zertifizierungen, sondern auch Fachanwaltstitel, Artikel in Fachzeitschriften und andere Errungenschaften, mit denen Anwälte gerne werben, sind nur halbwegs taugliche Indizien für juristische Kompetenz. Für Verbraucher bleibt es schwierig zu beurteilen, ob ein Anwalt seine Sache wirklich gut macht.
Anwalt Hartmut Engler aus Dortmund und die "Informa Interessengemeinschaft geschädigter Anleger"
Eine "Informa Interessengemeinschaft geschädigter Anleger“ aus Dortmund in Nordrhein-Westfalen warnte in Briefen Anleger vor "großen Gefahren“ bei einem Fonds, in dem diese 20.000 Euro und mehr investiert hatten. Kurz darauf rief ein Informa-Mitarbeiter an und legte nach: Der Fonds stecke in schweren Finanznöten, es bestehe akuter Handlungsbedarf. Ohne einen guten Anwalt sei das investierte Geld wahrscheinlich verloren. Was die Anleger zu diesem Zeitpunkt nicht ahnten: Die Informa, die inzwischen unter dem Namen "Institut für geschädigte Kapital- und Immobilienanleger“ (ifgki) auftritt, war keineswegs ein neutraler Anlegerschutzverein, sondern ein Kooperationspartner des Dortmunder Anwalts Hartmut Engler – mit der Aufgabe, Mandate an Land zu ziehen. So sieht es jedenfalls das Landgericht Ellwangen: Am 8. Dezember 2008 untersagten die Richter der Kanzlei Engler & Collegen, weiterhin "über Mitarbeiter der Informa unaufgefordert an Anleger [...] heranzutreten“ (2 O 91/07). Das sei unzulässige Anwaltswerbung.
Die Informa-Mitarbeiter bombardierten Anleger nach Erkenntnissen des Landgerichts Ellwangen nicht nur mit Briefen und Anrufen, sondern klingelten manchmal sogar an der Haustür. Eine Strategie, die sich die vermeintlichen Anlegerschützer bei Vermittlern abgeschaut haben, die Mitbürgern bei Hausbesuchen fragwürdige Steuersparmodelle verkaufen. Bisweilen sind Sparer somit doppelt gekniffen: Erst lassen sie sich ein Investment andrehen – und dann einen Anwalt, dem es vor allem um die Akquise von Mandanten geht. Der Kanzlei Engler kann sich über Mandantenmangel offenbar nicht beklagen. „Da werden Klagen wie am Fließband eingereicht“, berichtet ein Insider.
Laut einer Stellungnahme der Kanzlei Engler & Collegen ist die Zusammenarbeit mit der ehemaligen Informa inzwischen beendet: Seit Ende 2008 nehme man "keine Empfehlungen mehr“ von dieser Seite an. Grundsätzlich akzeptiere die Kanzlei aber Mandate, die ihr von Anlegerschutzvereinen und gewerblichen Initiativen "angedient“ würden, so Engler-Mitarbeiter Martin Beckmann. Das sei nichts Ungewöhnliches.
Die Richter in Ellwangen hielten das Zusammenspiel von Anwälten und Anlegerschützern keineswegs für üblich. Sie monierten in scharfer Form, dass die Aussagen der Informa-Mitarbeiter "auf Verunsicherung angelegt waren und ein anwaltlicher Informationsbedarf auf Seiten des Kunden hervorgerufen werden sollte“.
Engler hat Berufung gegen das Urteil eingelegt: Der Kanzlei werde darin die Verantwortung für Personen und Firmen zugeschrieben, "auf die wir keinerlei Einfluss haben“, schreibt Beckmann in einer zwölfseitigen Stellungnahme. Die in diesem Zusammenhang erhobenen Vorwürfe seien "der ekelhafte Versuch, mit haltlosen Unterstellungen gegen unsere Tätigkeit zu agitieren“.
Anwalt Professor Dr. Volker Thieler aus München, die Schwiegertochter und die "Deutsche Anleger Stiftung"
Auch der Münchner Anwalt Volker Thieler schreibt massenhaft Anleger an. Er kooperiert dabei eng mit der "Deutschen Anleger Stiftung“. Dem Anschein nach eine neutrale Organisation – wer die Internet-Seite der Stiftung studiert, hat jedenfalls den Eindruck, es mit völlig neutralen Verbraucherschützern zu tun zu haben. "Wir sind eine treuhänderische Stiftung und damit absolut unabhängig“, heißt es. In der Realität spricht jedoch vieles dafür, dass die Stiftung vor allem ein Instrument ist, um Mandanten für die Kanzlei Thieler zu akquirieren. So berichtete die "Süddeutsche Zeitung“ 2004, dass der Vermieter des Gebäudes, in dem die Stiftung residiert, Kanzleichef Thieler sei.
Zudem liegt der WirtschaftsWoche ein Schreiben der Stiftungsvorsitzenden Christiana Franke aus dem Jahr 2006 vor, in dem sie einer Anlegerin die Kanzlei Thieler empfiehlt. Hinzu kommt: Franke ist nach Informationen der WirtschaftsWoche Thielers Schwiegertochter. Trotz wiederholter Anfrage haben weder Franke noch Thieler zu den Vorwürfen Stellung genommen.
Die profitable Kombination von Verbraucherschutz-Engagement und Anwaltstätigkeit exerziert Thieler schon lange. Ende der Neunzigerjahre engagierte sich der heute 64-Jährige bei der Senioren-Partei "Graue Panther“ und beim "Seniorenschutzbund“ – und positionierte sich zugleich als Experte für Seniorenrecht, unter anderem mit Auftritten in der Talkshow von TV-Pfarrer Jürgen Fliege.
Inzwischen konzentriert er sich auf Anleger. Der WirtschaftsWoche liegen einige Briefe der Kanzlei Thieler vor, in denen den Empfängern suggeriert wird, dass sie schnell handeln müssen, um ihr Geld zu retten. Dabei hat das Hanseatische Oberlandesgericht Thieler derlei Geschäftsgebaren bereits 2005 untersagt (5 U 126/04). Wer Anleger ungebeten kontaktiere und andeute, "dass bereits ein Schaden entstanden [...] und dass wegen drohender Verjährung umgehendes Handeln erforderlich sei“, verstoße gegen Berufsrecht, so die Richter. Damals hatte Thieler Gesellschafter eines Heizkraftwerke-Fonds angeschrieben und nach Angaben des Fondsinitiators BVT so 153 Mandate akquiriert. Die Qualität der eingereichten Klagen – überschaubar. „Keine einzige“ sei erfolgreich gewesen, teilt BVT mit. Das Landgericht München I wies eine Klage mit den Worten ab: Sie erwecke „den Eindruck gewisser Beliebigkeit, der seine Ursache darin haben dürfte, dass die Klage ohne Einholung hinreichender Informationen erhoben worden sein dürfte“ (28 O 7547/05).
Und das sind die Tricks von Anlegeranwälten, um mit Anlegern in Kontakt zu treten, die für Schadenersatzklagen in Frage kommen.
Datenhandel und Inserate
Besonders stark im Visier von Anwälten und vermeintlichen Verbraucherschützern sind Anleger, die in „atypisch stille“ Beteiligungen investiert haben. Denn bei dieser Anlageform werden die Sparer zu Mitunternehmern – und ihre Namen kommen ins öffentlich zugängliche Handelsregister. Das gilt auch bei geschlossenen Beteiligungen wie Film- oder Immobilienfonds, aber nur, wenn Anleger ihre Anteile nicht über den Treuhänder des Fonds halten.
Einige Kanzleien lassen deshalb gezielt die Handelsregister auswerten. Dort stehen Name und Wohnort des Anlegers; Adresse und Telefonnummer lassen sich anschließend meist problemlos im Internet recherchieren.
Finden sich im Handelsregister keine verwertbaren Informationen, greifen die Adressenjäger zu anderen Mitteln. Eine besonders einfache Methode: Sie kaufen die Adressen. Denn der schwunghafte, bundesweite Adressenhandel hat längst auch das Beteiligungsgeschäft erreicht – offenbar gibt es Personen, die einen Zusatzverdienst wittern, sobald ein Fonds ins Trudeln gerät. Das können etwa Mitarbeiter des Fondsanbieters oder eines Anlagevermittlers sein, die Zugriff auf die Datenbanken haben.
„Mir sind vor einiger Zeit Kontaktdaten von Gesellschaftern eines VIP-Medienfonds zum Kauf angeboten worden“, berichtet Anwältin Katja Fohrer von der Kanzlei Mattil. „Natürlich habe ich das abgelehnt.“ Eine Mandatsbeschaffung auf diesem Wege sei „unseriös und verboten“.
Investorenlisten durch Akteneinsicht bei der Staatsanwaltschaft
Ein weiterer Trick von Anlegeranwälten: Ermittelt die Staatsanwaltschaft im Zusammenhang mit einem Fonds, beantragen sie Akteneinsicht, sobald sie einen Anleger vertreten. In den Akten ist meist eine komplette Investorenliste zu finden.
Dabei arbeiten einige Kanzleien mit fragwürdigen Methoden. So liegt der WirtschaftsWoche ein Schreiben einer Kanzlei vor, mit dem diese im Auftrag eines Mandanten Akteneinsicht beantragte. Doch wenig später stellte sich heraus: Der angebliche Mandant hatte gar kein Mandat erteilt. Die Kanzlei ruderte daraufhin zurück: Es handle sich um ein bedauerliches Versehen, heißt es in einem Brief an den zuständigen Staatsanwalt. Die Vollmacht sei telefonisch diktiert worden, dabei habe sich ein falscher Name eingeschlichen.
Ähnlich undurchsichtig: Einige Anleger geschlossener Fonds berichten, dass sie von einer Kanzlei kontaktiert worden seien – kurz nachdem sie sich auf ein Inserat eines angeblich kaufinteressierten „Zweitmarkt-Investors“ gemeldet hatten, der daraufhin den Wert ihres Anteils geprüft hatte.
Deutschland will Beweislast umkehren.
Verbraucherschutz-
Ministerin Ilse Aigner
©Bundesregierung
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Auch wenn Anwälte es gerne anders darstellen: Anleger, die Banken, Fondsanbieter oder Aktiengesellschaften auf Schadensersatz verklagen, haben vor Gericht einen schweren Stand. Aktuelle Beispiele gibt es genug. So wurden die ersten Klagen von Sparern abgewiesen, die Geld mit Zertifikaten der US-Pleitebank Lehman oder mit Aktien des vom Staat geretteten Mittelstandsinstituts IKB verloren hatten. Und der Telekom-Prozess, der sich bereits seit Jahren hinzieht, ist beim Oberlandesgericht Frankfurt gerade in die nächste Runde gegangen – mit immer weiter schwindenden Erfolgsaussichten, wie es scheint.
Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) will Anlegerklagen jetzt erleichtern. So soll die Beweislast zugunsten der Anleger umgekehrt werden. Bisher scheitern Falschberatungsopfer immer wieder daran, dass sie nicht beweisen können, wie das Beratungsgespräch abgelaufen ist. „Oft sitzt man seinem Berater doch allein gegenüber und kann später gar nicht beweisen, was besprochen wurde“, sagt Aigner. Zudem will sie die strengen Verjährungsfristen auf den Prüfstand stellen.
EU will Sammelklagen erleichtern.
Eine weitere wichtige Initiative: Die EU-Kommission will Sammelklagen von Verbrauchern erleichtern. Für deutsche Anleger wäre das von besonderer Bedeutung. Denn trotz des 2005 in Kraft getretenen Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes müssen geschädigte Investoren hierzulande noch immer etliche Hürden überwinden, wenn sie sich kostensparend zu einer Sammelklage zusammenschließen wollen – ganz anders als etwa in den USA.
Angesichts dieser Probleme sollten Anleger kritisch nachhaken, wenn ihr Anwalt zur Klage rät. In vielen Fällen ist es sinnvoller, erst mal mit der Bank oder dem Fondsanbieter über einen Vergleich zu reden. In den Lehman-Fällen haben sich einige Banken zu Vergleichen bereit erklärt.